Braunschweig – eine lebenswerte Stadt!
Braunschweig diskutiert darüber, wie die Innenstadt wieder belebt werden kann, wie Attraktivität und Aufenthaltsqualität erhöht werden können. Wir wollen aus der Perspektive von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden Maßnahmen vorschlagen (PedaLeo 01-2022)
Erschienen im ADFC Pedaleo 62, 01-2022
Von Susanne Schroth, Jens Schütte und Burkhard Plinke
Politik, Verwaltung, der AAI (Arbeitsausschuss Innenstadt), die Medien, Interessenverbände und Braunschweiger Bürger diskutieren darüber, wie angesichts der Leerstände die Innenstadt wieder belebt werden kann, wie Attraktivität und Aufenthaltsqualität erhöht werden können. Der ADFC Braunschweig möchte dazu im Gespräch mit den Entscheidern und durch Veröffentlichung im PedaLeo einen Beitrag leisten. Wir wollen aus der Perspektive von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden Konflikte nennen und Maßnahmen vorschlagen, die einfach und kostengünstig die Situation in der Innenstadt verbessern können.
In dieser Ausgabe des PedaLeo stellen wir Ihnen Ideen zu folgenden Themen vor:
- Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Magniviertel
- Standort für überdachte Fahrradabstellanlagen
- Beseitigung von Konfliktstellen zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden in der Kerninnenstadt
- Gefahrenpunkte Kopfsteinpflaster
- Sicheres Radfahren auf dem inneren Cityring
1. Wie könnte ein Beitrag zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Magniviertel aussehen?
Jedes Jahr wird am dritten Freitag im September mit Aktionen aller Art darauf aufmerksam gemacht, wieviel öffentlicher Raum durch jedes parkende Auto blockiert wird. Insbesondere soll mit den Aktionen auch gezeigt werden, wie man diese Fläche ansonsten nutzen könnte. In Braunschweig hatte Greenpeace als Veranstalter gemeinsam mit Fridays for Future, moveBS, Extinction Rebellion Braunschweig und dem VCD zum Parking Day geladen mit dem Motto: 12 qm Kultur. Malte Kettler und die Initiative Jazz Braunschweig e. V. sorgten für eine wundervolle Atmosphäre mit Jazzmusik. So konnten die Besucher des Magnivier tels erleben wie es ist, wenn Parkplatzraum ganz anders genutzt wird: Als wei tere Fläche für Außengastronomie, als Podium für eine Jazzband, …
Die lauschigen Jazzklänge verbreiteten angenehme Klänge, die Außengastronomie wurde gut angenommen, alles in al lem: den Teilnehmenden der Aktion machte es sichtlich Spaß. Die Fragen, die im Raum stehen, sind naheliegend: Warum gibt man nicht einen Großteil der Parkplätze auf zur Verbesserung des gastronomischen Angebotes, zur Verbes serung der Aufenthaltsqualität? Unverschämtheit, geht gar nicht? Wir meinen schon, dass das geht. Die nahegelegene Tiefgarage Magni ist fast nie komplett belegt. Außerdem ist sie 24 h zugäng lich, da müsste doch etwas zu machen sein. Damit wir uns nicht falsch verste hen: Parkplätze sollten natürlich z. B. für Menschen, die gehbehindert sind, oder für ambulante Pflegedienste weiter er halten bleiben genauso wie Kurzzeit parkplätze zum Be- und Entladen.
Warum kann man das unbequeme und teilweise gefährliche Kopfsteinpflaster nicht durch ein weniger gefährliches austauschen? Noch mehr Aufenthalts qualität und Teilhabe für viel mehr Men schen, die das Magniviertel aus diesem Grunde meiden, wäre die Konsequenz.
Das könnte sich doch lohnen, oder?
2. Überdachte Fahrradabstellanlagen mit Lademöglichkeit und Schließfächern
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, wo man ein Fahrrad in der Innenstadt Braunschweigs überdacht einstellen und dann vielleicht auch noch den Helm und anderen Kleinkram in einem Schließfach deponieren kann? Bis jetzt gibt es hierzu keine Möglichkeit. Wir haben uns mal umgesehen und machen einen Vorschlag zu einem möglichen Standort und stellen zwei Anlagen vor.
Die Fahrradbügel dort führen ein einsames Dasein ohne nennenswerte Nutzung. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es direkt an den Schlossarkaden Fahrradbügel gibt. Aber: Der Standort liegt in Steinwurfweite zum Einkaufszentrum, bietet ausreichend Platz für eine überdachte Anlage und könnte so attraktiv werden für Pedelecfahrer aus dem Umland, die bisher keine überdachte Abstellmöglichkeit für ihre wertvollen Räder haben. So könnte eine solche Anlage aussehen:
Was meinen Sie? Könnte doch mal ein Anfang sein?
3. Kerninnenstadt: Konfliktpunkte zwischen Radfahrenden und zu Fuß Gehenden
In der City gibt es viele Straßenabschnitte, wo sich Rad und Fußverkehr gefährlich mischen. Hier einige Beispiele:
- Auf der Hagenbrücke (Südseite,Fahrtrichtung Hagenmarkt) zwischen Höhe und Durchgang Stecherstraße
- Auf dem Steinweg (Nordseite, Fahrtrichtung Burgplatz) zwischen Wilhelmstraße und Bohlweg
- Auf dem Bohlweg (Westseite, Fahrtrichtung Rathaus) zwischen Hagenscharrn und Dankwardstraße
Was genau ist das Problem?
An den exemplarisch genannten Stellen gibt es stark frequentierte, benutzungspflichtige Radwege, die viel zu schmal, baulich nicht abgesetzt und optisch kaum erkennbar sind. Daher kommt es immer wieder zu Missverständnissen und gefährlichen Begegnungen zwischen Radfahrenden und zu Fuß Gehenden. Die Lösung kann allerdings nicht sein, die Benutzungspflicht für Radfahrende aufzuheben, um zu erreichen, dass diese auf die Fahrbahn wechseln. Die Fahrbahnen sind hier viel zu schmal und durch Autoverkehr stark belastet. Mögliche Abhilfemaßnahmen könnten aus unserer Sicht sein:
- Kurzfristig: Die Radwege deutlich markieren und einfärben.
- Mittelfristig: Umwidmung der Flächen ausschließlich für den Fußverkehr (Hinweis: Braunschweig ist Modellkommune für den Fußverkehr!), und für den Radverkehr jeweils einen geschützten und baulich gesicherten Radfahrstreifen auf der Fahrbahn anlegen.
4. Gefahrenpunkt Kopfsteinpflaster – nicht nur ein Problem für Radfahrende
Nicht nur Radfahrende, sondern auch zu Fuß Gehende fühlen sich durch Kopfsteinpflaster beeinträchtigt:
- Bei Nässe kann es rutschig werden.
- Sind die Fugen zwischen den Steinen zu groß, kann man stecken bleiben (mit dem Rad, mit den Schuhen, mit dem Rollator, mit dem Rollstuhl, mit dem Kinderwagen, …).
Es ist verständlich, dass in zahlreichen Bereichen das Pflaster dem historischen Umfeld entsprechen soll. Beispiele aus zahlreichen anderen Städten zeigen, dass dieser gestalterische Anspruch auch sehr gut mit geschnittenen oder gespaltenen Steinen erreicht werden kann. Auch die Verfugung der Steine ist so zu wählen, dass eine möglichst ebene Fläche entsteht. Handlungsbedarf besteht aus unserer Sicht in folgenden Bereichen der Kerninnenstadt:
Und so könnte das Kopfsteinpflaster aussehen und verlegt werden, das die Herzen von Radfahrenden und zu Fußgehenden gleichermaßen erfreut. Beispiel:
Wir hoffen, dass im Zuge der Entstehung des Veloroutennetzes und des Radwegeausbaus diese Aspekte von den Planern der Stadt Braunschweig berücksichtigt werden. Außerdem regen wir an, bei bestehenden Kopfsteinpflasterbereichen zu prüfen, inwieweit der Belag angepasst werden kann.
5. Sicheres Radfahren auf dem inneren Cityring – mit diesen Maßnahmen ist das Ziel erreichbar
Der innere Cityring hat für den Radverkehr eine besondere Bedeutung, da er Zufahrt zu zahlreichen Fahrradabstellanlagen am Rande der Fußgängerzone ist. Ein hochwertiger und sicherer Ausbau des inneren Cityringes für den Radverkehr reduziert die Fahrten durch die Fußgängerzone. Ziel muss es sein, dass der innere Cityring für die Radfahrenden in beiden Richtungen sicher befahrbar ist.
- Das Einfahren von der Dankwardstraße in die Münzstraße ist nicht eindeutig geregelt. Kraftfahrzeuge, die aus der Münzstraße in die Dankwardstraße fahren, rechnen nicht mit entgegenkommenden Radfahrenden. Hier würde eine eindeutige Markierung im Kurvenbereich für Klarheit sorgen.
- An der Bushaltestelle Damm in der Münzstraße überholen Kfz die haltenden Busse häufig auf dem Radfahrstreifen, der für die Radfahrenden in Gegenrichtung angelegt wurde. Dies führt immer wieder zu gefährlichen Situationen und zwingt Radfahrende zum Absteigen oder zum Ausweichen über den Gehweg. Durch die einfache Montage von Leitschwellen mit Leitbaken kann das illegale Überholen der haltenden Busse wirksam unterbunden werden.
- An dem Knotenpunkt Münzstraße – Waisenhausdamm – Leopoldstraße ist für Radfahrende nicht zu erkennen, wo sie fahren sollen bzw. können. Der Knotenpunkt mit den vielen Pollern, unterschiedlichen Oberflächen und Straßenbahngleisen ist ausgesprochen unübersichtlich. Die Fahrbeziehungen der Radfahrenden sind bei der Gestaltung nicht berücksichtigt worden. Langfristig muss der Knoten vollständig umgebaut werden. Kurzfristig können Markierungen für die Radfahrenden eine Verbesserung schaffen.
- Im Bereich der Straßenbahnhaltestelle „FriedrichWilhelmStraße“ müssen die Radfahrenden, die i. d. R. rechts der Gleise fahren, auf Grund der Haltestelle zwischen die Gleise fahren. Hierbei queren sie die Schienen im spitzen Winkel, was immer wieder zu Stürzen führt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
- Die Brabandtstraße wurde für Radfahrende in Richtung Norden freigegeben. An der Ostseite des Altstadtmarktes wurde ein Halteverbot eingerichtet, damit es nicht zu Konflikten zwischen den einbiegenden Bussen und den Radfahrenden kommt. Die für die Radfahrenden reservierte Fläche ist als solche nicht zu erkennen und wird daher häufig zum Halten/Parken von Kfz genutzt. Dies führt immer wieder zu gefährlichen Situationen. Der Radweg ist so zu markieren oder umzubauen, dass er als solcher von allen Verkehrsteilnehmern zu erkennen ist. Halten und Parken von Kfz auf dieser Fläche muss wirksam unterbunden werden.
- Die Straße Schild wird in beiden Richtungen immer wieder illegal von Kraftfahrzeugen befahren. Fußgänger und Radfahrende werden erheblich gestört, teilweise auch von den Kraftfahrzeugführern genötigt auszuweichen oder abzusteigen. Diese illegalen Schleichverkehre sind wirksam zu unterbinden. In zahlreichen Städten werden fahrbare Poller erfolgreich zur Unterbindung illegalen KfzVerkehrs eingebaut.
- Handlungsbedarf gibt es insbesondere in der Straße Marstall. Diese ist in Richtung Osten für den Radverkehr gesperrt. Die Radfahrenden weichen zum großen Teil über Papenstieg und Vor der Burg aus. Der Marstall sollte in Richtung Osten für die Radfahrenden freigegeben werden. Um die notwendigen Flächen zu schaffen, müssen die in diesem Bereich vorhandenen Parkplätze aufgelöst werden. Ein Teil der gewonnenen Flächen könnte auch für die Verbreiterung der Fußwege in diesem Bereich genutzt werden.
Diese Maßnahmen können aus unserer Sicht einen leicht umsetzbaren und wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit für die Radfahrenden in der Kerninnenstadt darstellen. Wir hoffen, dass Entscheider aus Verwaltung und Politik die Vorschläge aufnehmen und kurzfristig umsetzen.