Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Braunschweig e. V.

Radfahrer auf dem Bürgersteig wird durch einen Polizisten angehalten

Kontrolle am Deutschen Haus / Marstall © Polizeidirektion Braunschweig

Interview - Fahrradstaffel wird 18 Monate alt

Der ADFC hat bereits vor vielen Jahren eine Fahrradstaffel gefordert. Warum? Ordnungshüter auf Fahrrädern haben den gleichen Blickwinkel wie alle Rad­fahrenden.

Lesen Sie ein Interview mit dem Koordinator der Fahrradstaffel, Herrn Osadnik.

Gekürzt erschienen im ADFC Pedaleo #59, Herbst 2020
Die Fragen stellte Sabine Kluth.

? Wie kam es zu der Gründung und welches Ziel sollte damit verfolgt werden?

Die Fahrradstaffel der Polizeiinspektion Braunschweig ist seit April 2019 im Einsatz. Ich habe zur damaligen Zeit den Auftrag erhalten, die Fahrradstaffel ins Leben zu rufen.

? Wie viele Beamt*innen sind bei der Staffel im Einsatz?

Seit April 2019 sind sechs Fahrradfahrer(innen) im gesamten Stadtgebiet unterwegs, um die Einhaltung der Verkehrsregeln durch alle Arten von Verkehrsteilnehmern zu überwachen, wobei das Hauptaugenmerk natürlich auf der Überwachung des Fahrradverkehrs liegt. Ich bin als Koordinator eingesetzt, wobei mein Tätigkeitsfeld meist das administrative Geschehen im Hintergrund ausmacht. Ferner koordiniere / plane ich größere Kontrollen, bei denen ich dann natürlich auch aktiv mitwirke. Das Team der Fahrradstaffel besteht je zur Hälfte aus Beamtinnen und Beamten, die alle freiwillig ihren Dienst versehen.

? Wie ist Ihre Ausrüstung?

Die Beamtinnen/Beamten der Fahrradstaffel sind mit Pedelec der neueren Generation ausgerüstet und führen natürlich auch persönliche Ausstattung wie Funkgeräte, Handys, etc. mit sich. Genauere Angaben dazu, kann ich aus nachvollziehbaren Gründen nicht machen.

? Wie läuft ein Einsatz auf Braunschweigs Straßen ab?

Unsere Einsätze sind teilweise geplant (wie z. B. vorgeplante Kontrollen an bestimmten Stellen, Schulwegsicherungsaktionen, etc.), aber ansonsten größtenteils „ungeplant“ und variabel. Das bedeutet, dass die Beamten frei im Stadtgebiet unterwegs sind, um dort präventiv und repressiv zu wirken. Dabei werden aber gerade auch Brennpunkte (z. B. Orte, an denen das Unfallrisiko hoch ist) verstärkt ins Kalkül gezogen. Auch gehen wir Hinweisen aus der Bevölkerung und / oder der Verwaltung nach und begutachten diese zum einen aus der polizeilichen und zum anderen aus der Sicht eines Radfahrers bzw. Autofahrers.

? Sind Sie mit dem Fahrrad unterwegs und kontrollieren und ggf. sanktionieren alle Verkehrsarten?

Bei unseren Streifenfahrten werden alle Arten von Verkehrsteilnehmern beobachtet und ggf. sanktioniert. Dazu zählen natürlich in erster Linie Radfahrer, aber auch z. B. „falsch“ parkende Kraftfahrzeugführer, der E -Scooter-Fahrer, der sich auf Verkehrsflächen aufhält, wo er nicht fahren darf, und letztlich auch der Fußgänger, der z. T. „gedankenversunken“ Fahrradwege betritt / beschreitet und dort für Gefahrensituationen sorgt. Hier möchte ich auf eine kürzlich stattgefundene Kontrolle an einem Unfallschwerpunkt hinweisen, wo wir folgende Verstöße geahndet haben: „Rotlichtmissachtung durch Kfz -Führer“, „Rotlichtmissachtung durch Radfahrer“, „Benutzen des Radwegs in verkehrter Richtung“, „Abbiegen von Kfz mit Behinderung / Gefährdung von Radfahrern“.

Gerade in letzter Zeit, mit dem verstärkten Aufkommen von Elektrofahrzeugen aller Arten, kommt es vermehrt zu Problemen. Auf der einen Seite sind auf den Straßen Gefährte, wie Monowheels, Hoverboards und Elektro-Skateboards unterwegs, die überhaupt nichts im öffentlichen Verkehrsraum zu suchen haben und auf der anderen Seite sind vermehrt E -Scooter im Einsatz. Gerade bei den E-Scootern müssen wir feststellen, dass der jeweilige Nutzer sich selten mit den für diese Art von Verkehrsmittel gültigen Verkehrsregeln auskennt.

Der E-Scooter wird als „spaßiges“ Fortbewegungsmittel genutzt, wobei dann aus den Augen verloren wird, dass ein Kraftfahrzeug geführt wird. Dies ist insbesondere dann wichtig und zu beachten, wenn Alkohol ins Spiel kommt. Dann gelten nämlich dieselben Grenzen, wie z. B. bei einem Pkw. Auch sind leider immer noch viele E-Scooter unterwegs, die nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen sind. Diese sind beispielsweise entweder zu schnell und/oder nicht entsprechend ausgerüstet. Die Nutzung solcher E-Scooter zieht im Regelfall mindestens eine Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige nach sich, in den meisten Fällen aber eine Strafanzeige, weil diese oftmals auch nicht versichert sind.

? Gibt es eine Verknüpfung Ihrer Streifenfahrten mit aktuellen gemeldeten Verkehrsgeschehnissen?

Unsere Schwerpunktsetzung erfolgt anhand eigener Feststellungen, anhand von Beschwerden und natürlich auch anhand der Auswertung von Statistiken. Hier ist es von Vorteil, dass ich Mitglied in der Unfallkommission (einem Gremium bestehend aus Vertretern der verschiedenen Fachbereiche der Stadt und der Polizei) bin und zudem aktuell die Verkehrsunfälle mit Radfahrer - und E -Scooterbeteiligung auswerte. Hier können erkannte Brennpunkte schnell einbezogen und begutachtet werden.

? Was sind die häufigsten Themen, auf die Sie die Radfahrenden, Fußgänger*innen, Kfz -Fahrenden und ggf. Scooterfahrer hinweisen?

Zu den häufigsten Themen, die alle Arten von Verkehrsteilnehmern betreffen, gehören die Missachtung des Rotlichtes. Gerade in Bezug auf Radfahrer muss ich leider anmerken, dass viele das für sie geltende Rotlicht ignorieren und in einem doch recht hohen Anteil bewusst missachten. In einer zurückliegenden Kontrolle am Hauptbahnhof in Braunschweig sind in 1,5 Stunden insgesamt 42 Verstöße zu registrieren gewesen, wobei in 26 Fällen das Rotlicht länger als eine Sekunde betrug. Hier ist noch anzuführen, dass die kontrollierenden Beamten deutlich sichtbar waren. Es handelt sich hier nicht, wie vielleicht immer noch in den Köpfen verankert, um eine Bagatelle, sondern zieht vielmehr ein hohes Bußgeld und einen Punkt in Flensburg nach sich.

Weiterhin ist in Bezug auf Ampeln festzustellen, dass viele Fahrradfahrer sich nicht mit den gültigen Regelungen auszukennen scheinen. Sie achten immer noch auf die Fußgängerampeln, anstatt auf die für sie gültigen Radfahrerampeln. Hier gilt es weiterhin, Aufklärungsarbeit zu leisten, wo Sie sicherlich auch mitwirken könnten, oder dies auch schon getan haben.

Weitere Themen, die als Haupttätigkeitsfelder anzusehen sind, ist das Benutzen von Radwegen in „verkehrter“ Richtung, das Rad - und E -Scooterfahren in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung und das Abstellen von Kfz auf Geh - und Radwegen. Letztlich ist auch noch der Ausrüstungszustand der Fahrräder anzusprechen. Viele Bikes sind verkehrsunsicher und teilweise nur mit dem Notwendigsten ausgestattet. Reflektoren, Klingeln, etc. fehlen oftmals.

? Haben Sie Einfluss auf Änderungen der Fahrrad - und Fußgänger*innen-Infrastruktur um sie sicherer zu machen?

Durch unsere Tätigkeit und durch meine doch langjährige Zugehörigkeit zur Polizeiinspektion Braunschweig sind wir in einer engen Kooperation mit den verschiedenen Fachbereichen der Stadt Braunschweig. Hier seien insbesondere die Radfahrbeauftragten zu nennen, mit denen regelmäßige Treffen stattfinden. Bei Feststellungen unsererseits (z. B. fehlende Verkehrszeichen, bauliche Mängel, usw.) werden diese durch uns fixiert und an die Stadt gemeldet. Dies geschieht mittlerweile auch schon elektronisch mittels einer gemeinsamen Cloud.

? Haben Sie Erfahrungsaustausch zu Fahrradstaffeln in anderen Städten?

Im Vorfeld der Gründung der Fahrradstaffel haben wir Kontakt zu schon bestehenden Fahrradstaffeln in anderen Städten aufgenommen. Erfahrungen in diesen Städten wurden in unsere Überlegungen / Planungen mit aufgenommen. Bedingt durch die zurzeit vorherrschenden Umstände sind engere Verzahnungen leider nicht möglich.

? Gibt es seit dem Corona-Ausbruch Besonderheiten?

Seit dem Vorherrschen der Pandemie ist eine starke Zunahme des Fahrradverkehrs und zum Teil auch des Kfz -Verkehrs festzustellen. Damit einhergehend steigt natürlich auch die Zahl der Verstöße und auch der Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung an. Hier muss insbesondere festgestellt werden, dass Verkehrsunfälle im Begegnungsverkehr von Radfahrern (d. h. man kommt sich entgegen) und Verkehrsunfälle durch die Nutzung der falschen Straßenseite durch Radfahrer zugenommen haben. Hier appelliere ich ausdrücklich: Benutzen Sie bitte die richtige Straßenseite und fahren Sie vorausschauend, umsichtig und seien Sie bremsbereit.

? Haben Sie Tipps für Jugendliche, ältere Menschen und / oder die die PedaLeo-Leser*innen, was sie konkret selber für die besser Rücksichtnahme tun können um Konflikte oder gar Unfälle zu vermeiden?

Zu weiteren Tipps gerade in Bezug auf die dunkle Jahreszeit zählen das Tragen von heller Kleidung und eine „vernünftige“ (zugelassene) Beleuchtung (inkl. der vorgeschriebenen Reflektoren).

Gerade auch ältere Menschen (egal ob nun Radfahrer oder Autofahrer) sind mit den vorherrschenden Verkehrsverhältnissen teilweise überfordert. Dazu kommen jetzt noch die Pedelec, wo doch höhere Geschwindigkeiten gefahren werden. Hier kann ich nur darum bitten, sich mit seinem Gefährt unbedingt genau vertraut zu machen und ggf. einen Kurs für Fahren mit Pedelec zu besuchen.

Insgesamt gesehen kann ich nur an alle Verkehrsteilnehmer appellieren, gegenseitig Rücksicht aufeinander zu nehmen. Nur im gedeihlichen Zusammenwirken aller Verkehrsarten können wir zu einer Reduzierung der Verkehrsunfälle beitragen. Dazu gehört auch, evtl. einmal auf sein Vorrecht zu verzichten, um gefährliche Situationen zu vermeiden. Was nützt es dem Radfahrer, der grün hat, sich zu gefährden, weil ein abbiegender Kleintransporter (durch seine eingeschränkte Sichtmöglichkeit) ihn nicht oder nur sehr spät sehen kann.

! Vielen Dank Herr Osadnik!

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